Der Kirchturm

Wer mit dem Auto unterwegs ist oder auch einmal auf einer Wanderung die Natur erkunden will, sieht in der Ferne fast immer einen oder mehrere Kirchtürme der Ortschaft, die das Ziel des Ausfluges ist. Unser Kirchturm in Afferde ist nicht von allen Himmelsrichtungen sofort zu erkennen. Zwei hohe Lindenbäume behaupten ihren Platz am Aufgang zur Kirche und verhindern die Sicht.
Eine Kirche ohne Kirchturm? Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Kirchtürme unterstreichen die Besonderheit der Kirchengebäude. Unwillkürlich gleitet der Blick nach „oben“. Dort zum Himmel hin sind wir Gott näher. Unser Kirchturm zeigt noch die Bescheidenheit des romanischen Stils. Er ist nicht so hoch und schlank wie in der Gotik, als Kirchtürme auch ein Ausdruck von Geltungs- und Ruhmsucht waren. Vom Hochmut der Menschen erzählt das AT mit dem Turmbau zu Babel (1. Mose 11,1-9).

Wir betreten oder verlassen die Kirche durch den Turmeingang vom Westen her. Der untere Teil des Turmes als Eingang ist rein romanisch aus dem 12./13. Jh. Dickes Mauerwerk zeugt davon. Hier haben unsere Vorfahren sicherlich in den Kriegswirren der Jahrhunderte, aber auch vor Sturm und Hochwasser, Schutz gesucht. Auch einem Sünder oder Schutzsuchenden gewährt der Kirchenraum Asyl. Die Polizei ist hier machtlos. Noch heute suchen Familien Asyl in Kirchen, um nicht ausgewiesen zu werden.
Der große Taufstein im Kirchgarten hat bis etwa 1888 im Kirchturm gestanden, denn „niemand betritt die Kirche, der nicht getauft worden ist“, so ist es überliefert. Über diesem romanischen Turmeingang errichtete die Gemeinde 1773 zusammen mit dem Neubau des Kirchenschiffes den 20,10 Meter hohen Turm. Die Turmspitze ist mit einer Wetterfahne (dem Relief des Heiligen Georg) und mit einem Kreuz bekrönt; ein Hinweis auf einen christlichen Märtyrer und auf Gott. Dieses zeigt: An diesem Ort versammeln sich Menschen mit einem christlichen Glauben. So ein wuchtiger Kirchturm sagt mir aber auch: „Bleib aufrecht in deinem Glauben, stehe dafür fest und sicher ein, so wie ich ein starker Fels bin.“

Text und Foto: Edelgard Schlagmann, Kirchenpädagogin